Seit Anfang November bin ich endlich weiter auf meinem Weg und lasse mich am ZIST bei Wolf Büntig zum psychologischen Psychotherapeuten ausbilden. Ich freu mich sehr darüber, weil ich zuversichtlich bin, dort mehr von dem zu lernen, was ich schon jetzt am besten kann. Und weil ich so auch unter Leute komme, die meinen Weg teilen. Theorie (mit viel Selbsterfahrung) bekomme ich in Wochenblöcken vermittelt, 30 über insgesamt 5 Jahre, also 6 im Jahr. Aus dem ersten Block, der jetzt gut drei Wochen her ist, gehen mir mehrere Dinge in Herz und Kopf herum, deren Wert ich heute und in den letzten Tagen erneut gespürt habe und von denen ich erzählen möchte.

Eines von diesen Dingen ist das Thema Beachtung. Damit meine ich das Bedürfnis, gesehen zu werden, zu zählen, wahrgenommen zu werden. Ein Bedürfnis, dessen Erfüllung wohl ebenso lebenswichtig ist, wie die Erfüllung von Nahrung, Luft, Schlaf und Unterkunft. Das heißt, wird es nicht erfüllt, wird der oder die Betreffende krank und stirbt. Das klingt drastisch, aber ich glaub, dass eine Menge des Schmerzes, den Menschen miteinander haben, von diesem Bedürfnis abhängig ist. Und wenn das gänzlich fehlt, hören Leute z.B. auf zu essen (und zu wachsen, im Fall von Kindern), ziehen sich zurück, verlieren den Mut, etwas für sich zu tun und gehen dann daran zugrunde. Wolf Büntig hat hier einige der Phänomene, die mit Beachtung zu tun haben, beschrieben.

Aktuell freut mich das Thema, weil ich bei Wolfs morgendlicher Inspiration zum stillen Sitzen zum ersten Mal Beachtung mit dem Bemerken meines Atems und der Erde unter meinen Füßen, Beinen, Hintern in Zusammenhang gebracht habe. Stilles Sitzen (Meditation) praktiziere ich schon eine Weile, aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich bei der Instruktion, mich auf den Atem zu konzentrieren immer auch die Frage „Und was soll das bringen?“ Ich hab’s gemacht, aber auch eher mit der angespannten Erwartung, jetzt müsste doch auch was passieren. Wenn ich mich dann meinen Gefühlen und Bedürfnissen zugewandt habe, die ich hinter meinen Vorbeiziehenden Gedanken vermute, dachte ich immer, tu ich eigentlich was anderes, als was erwartet wird – und damit fühl ich mich in der Regel angespannt, weil ich ja mitbekommen will, worauf es eigentlich ankommt.

Ich hab in den Wochen seit dem ersten Block viel geübt und merke, wie gut es mir tut, durch den Atem zu bemerken, dass ich da bin. Einfach nur, dass ich da bin – ohne Frage ob das geht, oder mir das jemand erlaubt oder ob ich das verdient hätte. Darüber freue ich mich total! Und ich freu mich auch, wenn ich mich daran erinnere, wie dieses Bewusstsein bestimmte Gespräche erleichtert hat, in denen ich Beachtung vom anderen wollte, um mich sicher genug zu fühlen, etwas von mir preis zu geben. Statt das heimlich und manipulativ zu versuchen, hab ich zunächst mal nur auf den Atem gehört und gemerkt, dass ich da bin. Und damit kamen  Entspannung und Mut, mich zu zeigen.

Außerdem bin ich heute mal ohne Musik laufen gegangen und hab mir einfach Beachtung geschenkt, dem Atem zugehört, die Muskeln gespürt und meine Freude am blauen Himmel und der Sonne, die sich in dieser Jahreszeit kaum noch zeigt (vor allem tendenziellen Nachtmenschen wie mir nicht). Und das hat so gut getan! Ich erinnere mich, wie ich mich einfach nur gefreut habe und damit das Laufen und die körperliche Beanspruchung auch echt angenehm wurden.

Ein anderer Punkt aus den Morgenmeditationen, den Wolf auch erläutert hat und die mich heut noch freut, ist das Verbeugen vor und nach dem Sitzen. Ich erinnere mich, wie Wolf sagte, dass das Verbeugen gut täte, weil es eine Geste der Anerkennung von etwas größerem Ganzen sei, das uns halten und Geborgenheit spenden könne. Ich hatte das nie so gesehen, wahrscheinlich vor dem Hintergrund, dass vieles im Leben, das zunächst hält, nach einiger Zeit zu eng und zur Last wird. Und dieser Kampf, mich daraus zu befreien war zuweilen sehr anstrengend und leidvoll. Aber dass das so ist bedeutet, nicht, dass ich aufhöre Halt zu brauchen und Geborgenheit zu wollen. Die Frage bleibt nur, wo das in Freiheit geht. Und ich fühl mich dankbar für die Inspiration, weil ich hier Zuversicht fühle, dass der Himmel, der Geist, das Bewusstsein, Gott, Buddha, der Weg (Tao) wahrscheinlich groß genug für mich sind 😉

Schließlich erinnere ich mich noch daran, dass laut Wolf die Verbeugung auch eine Geste der Anerkennung vor dem großen Vorhaben ist, im hier und jetzt zu verweilen. Dazu mehr im nächsten Artikel.

2 Gedanken zu “Beachtung

  1. Lieber Niklas,
    seit einiger Zeit lese ich deine Artikel, freue mich über sie, reibe mich an ihnen, finde mich in ihnen wieder, lerne durch sie. Ich habe bisher jeden davon gelesen und freue mich grade wieder über die beiden neuesten, weil sie mein Leben sehr bereichern.
    Durch deine offene Art, von dir und deinem Erleben zu schreiben, fühle ich mich dir sehr nah und verbunden, ohne dich persönlich kennengelernt zu haben. Diese Art der Verbindung gehört für mich zu den kostbarsten Geschenken überhaupt, sie erzeugt ein warmes Gefühl der Gemeinschaft, Sicherheit, Geborgenheit und Hoffnung in mir.
    Ich hoffe, dich irgendwann mal persönlich kennenzulernen.

    Danke, dass es dich gibt!

    1. Lieber Markus,
      vielen lieben Dank, dass Du mir das schreibst. Ich erinnere mich an so manches Mal, wo ich den Impuls hatte, etwas zu schreiben und es dann gelassen hab, weil ich so wenig darüber weiß, wo das landet und ob es so wirkt, wie ich mir das wünsche. Deinen Kommentar zu lesen freut mich sehr, denn so bekomme ich das zumindest bei Dir mal mit! Das inspiriert mich, mehr zu schreiben 🙂 Und wenn ich Deine Giraffenohren-Seite lese, bekomm ich auch Lust, Dich mal persönlich kennen zu lernen.
      Herzliche Grüße
      Niklas

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