Das Thema entwickelt sich langsam.

Mir ist bei einer Vorlesung im Studium Generale zum Thema aufgefallen, was genau für mich eigentlich nicht stimmt und worauf ich eigentlich hinweisen will.

Die Sache ist die, dass die Idee der Willensfreiheit in der heutigen Debatte noch immer dieselbe ist wie die aus dem 19. Jahrhundert und auf der Aufteilung zwischen Körper und Geist basiert. Nur wenn man diese Trennung vornimmt, kann man überhaupt von einem isolierten und von jeglichen Bedingungen unabhängigen Geist ausgehen, bzw. einem freien Willen mit diesen Eigenschaften.

In meinem letzten Beitrag zu dem Thema hab ich schon erklärt, dass diese Trennung zwischen Körper und Geist nicht die sinnvollste Weise ist, auf das Problem zu schauen, sondern man eher von einer internen und externen Perspektive sprechen sollte. Perspektiven haben untereinander keine kausalen Zusammenhänge, man braucht dann also auch nicht mehr zu fragen, ob der Geist den Körper herumschubst, oder der Körper den Geist. Die Frage ist dann viel mehr, was in der Beschreibung des Körpers den Erfahrungen entspricht, die man im Geist macht und umgekehrt. Es geht also nicht um zwei verschiedene Prozesse, sonder darum, wie ein und derselbe Prozess von zwei Seiten aus gesehen wird.

In der Vorlesung wurde ein Experiment genannt, welches kürzlich erst veröffentlich wurde und in welchem mit Hilfe von fMRI festgestellt wurde, dass schon 10 Sekunden vor dem Bewusstwerden einer Handlung Muster im Gehirn sichtbar waren, die dieser Handlung entsprachen. Natürlich bringt einen das ins Grübeln… aber eigentlich nur, wenn man sich, seinen Motiven und Instinkten nicht traut. Denn wenn wir uns frei entscheiden, dann entscheiden wir uns doch für das, was wir wollen. Was wir wollen merken wir daran, was uns am besten gefällt, von den Optionen, die uns bewusst sind. Und was spricht dagegen, dass schon 10 Sekunden bevor uns bewusst ist, was wir wollen, schon verhältnismäßig klar wäre, was wir wollen, wenn wir uns dessen nur bewusster wären? Der fMRI-Scanner scheint das zu zeigen.

Mein Eindruck ist, die meisten Neurowissenschaftler wissen nicht besonders viel darüber, was sie wollen, bzw. wer sie sind. Und so lange man nicht weiß, wer man ist, macht man das Urteil darüber, ob man frei ist, davon abhängig, ob das was man tut, mit dem übereinstimmt, was man von sich glaubt. Typisches Beispiel: mit dem Rauchen aufhören. Viele Leute sagen und glauben sie wollen es, tun es aber nicht. Das sieht sehr unfrei aus. Was sie aber übersehen ist, dass ein Teil von ihnen möglicherweise doch nicht aufhören will. Er hat etwas davon zu rauchen. Und das ist wichtig. Es ist verdammt wichtig. Ich selbst rauche nicht, aber ich habe mir von vielen erzählen lassen, dass es sie beruhigt, wenn sie nervös sind. Zumindest für eine kurze Zeit. Diese Nervosität taucht immer dann auf, wenn man etwas möchte, aber befürchtet, dass nichts in der Welt es einem geben kann. Das ist meist unbewusst, weil der Wunsch so mit der Welt in Konflikt zu sein scheint, dass man nur auf Leid stieße, wenn man sich darauf einlässt. Also braucht es Ablenkung von dieser Nervosität. Und die braucht es immer wieder, bis man in Kontakt mit dem Wunsch gekommen ist und Möglichkeiten zu dessen Erfüllung gefunden hat. Das heißt die Zigarette ist dann ein oberflächlicher Schutz davor, diesen überwältigenden Schmerz ohne Lösungsaussicht wieder zu erleben. Und vor dem Hintergrund wird logisch, dass Leute nicht aufhören, selbst wenn sie aufgrund der gesundheitlichen Konsequenzen sagen, dass sie wollen. Und ich bin überzeugt, wann immer wir denken, wir seien unfrei, steckt so etwas dahinter. Ich hab noch kein Gegenbeispiel erlebt.

Wenn man das also herausfindet, dann löst sich die Frage nach freiem Willen oder Determinismus in Luft auf, weil diese Dichotomie darauf basiert, dass es Dinge gibt, die isoliert voneinander sind und sich dann gegenseitig herumschubsen. Und dann wollen wir wissen, was was herumschubst. Der Wille ist aber nicht isoliert. Er hat einen Bezug auf das was wir WOLLEN. Ohne etwas zu haben was wir wollen, bringt es nichts, einen Willen zu haben. Also ist der Wille insofern frei, als dass er umsetzen kann, was er will. Aber er ist abhängig von dem, was er will. Dieser Bezug ist immer da. Nur wenn wir von Isolation sprechen fragen wir danach ob das Individuum von der Umgebung bestimmt wird oder die Umgebung von dem Individuum. Ohne das müssen wir den Organismus als Aspekt des gleichen Systems sehen, von dem die Umgebung der andere Aspekt ist. Es sind zwei Pole, die explizit sehr verschieden, aber implizit eins sind. Und in der Erkenntnis dessen liegt die Freiheit.

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